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Rechtsanwältin   Dr. Birgit Stede


Newsletter November 2005

Abfallverbringung: Einigung über Rückführungskosten
Abgrenzung Produkt – Abfall
Überregulierung und Definitionen in der Verpackungsverordnung

Einigung bei Rücknahmeverpflichtung illegal verbrachter Abfälle

Der Beitrag an die Anstalt Solidarfonds Abfallrückführung ist rechtswidrig – so der Europäische Gerichtshof und Bundesverfassungsgericht. Wir haben berichtet. Und dann folgten die Auseinandersetzungen, wer denn nun finanziell für die Rückführung illegal verbrachter Abfälle verantwortlich ist, wenn ansonsten kein Verpflichteter – nämlich der, der die illegale Verbringung veranlasst hat – ausfindig gemacht werden kann oder dieser nicht zahlungskräftig ist.

Nun haben sich Bund und Länder geeinigt: Zunächst soll das Land, in dem die Abfälle erzeugt wurden, zur Kostentragung verpflichtet sein. Lässt sich die Herkunft nicht eindeutig bestimmen, so sollen alle Bundesländer gemeinsam für die Finanzierung der Rückführung gerade stehen.

Produkt oder Abfall – eine never-ending story

Über die Folgen der AbfAblV für die Entsorgungsbranche haben wir bereits mehrfach berichtet – und wir werden darauf zurückkommen. Versprochen! Doch wollen wir uns dieses Mal einer anderen never-ending-story widmen: Seit Inkrafttreten des KrW-/AbfG dürfen wir uns mit der Frage herumschlagen: Wann ist ein Stoff Produkt, wann Abfall? Wann kann ein Stoff, der einmal als Abfall einzustufen war, nach einem Recyclingprozess wieder zu einem Produkt re-mutieren?

Der Europäische Gerichtshof und deutsche Gerichte haben sich immer wieder dieser Frage gestellt – und so sind einige Anhaltspunkte entwickelt worden:

Ein Produkt ist ein Produkt ist ein Produkt …

Zunächst hatte der EuGH Stoffe, die in einem Produktionsprozess anfallen, als Nebenprodukt – und damit nicht als Abfall! – eingestuft, wenn die weitere Verwendung dieser Nebenprodukte ohne vorherige Bearbeitung gewiss ist. Dies gilt auch dann, wenn das Verfahren, in dem die Stoffe verwendet werden, einem Verfahren nach Anhang IIA oder IIB zugeordnet werden kann. Denn die Zuordnung bedeute nicht, dass alle Stoffe automatisch Abfall seien. Die Abfalleigenschaft müsse immer gesondert geprüft werden.

Im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH argumentierte das OVG Nordrhein-Westfalen im August 2005. Hier wurde über die Produkteigenschaft eines Destillats, das als Nebenerzeugnis in einem Produktionsprozess anfällt entschieden. Das Destillat sei als Produkt einzustufen, wenn es als Ersatzbrennstoff mit einem hohen Heizwert ohne weitere Verarbeitung eingesetzt werden könne, auf diesem Wege Kosten für Primärbrennstoffe eingespart werden können und die Verwendung unter Sicherheits- und Umweltschutzaspekten unerheblich sei.

Abfall ist Abfall ist Abfall … ?

Etwas differenzierter wird die Frage, wann aufbereiteter Abfall wieder als Produkt eingestuft werden kann.

Solange der Wiederaufarbeitungsprozess erfolgt, handelt es sich grundsätzlich um Abfall. Das Ergebnis dieses Verarbeitungsprozesses sei hingegen nicht mehr Abfall, wenn das Material generell z.B. für die Herstellung von Produkten verwendet werden kann. So der Europäische Gerichtshof. Ist allerdings die Zusammensetzung des Stoffes der Verwendung nicht angepasst oder müssen für die weitere Verwendung besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Umwelt getroffen werden, so sind Anhaltspunkte dafür gegeben, dass noch Abfall vorliegt. Dann stehen Entledigungswille oder Entledigungszwang im Vordergrund.

Ob dies angesichts dessen, was alles an gefährlichen – als Produkt anerkannten Stoffen – im Produktionsprozessen eingesetzt werden kann, sachgerecht ist, nun, das ist eine andere Frage, Unterliegt dagegen eine Sache erst einmal dem Abfallrechtsregime, so entkommt sie diesem nicht so schnell.

Recyclingbaustoff …

wird von einem Teil der Bundesländer als Produkt eingestuft, wenn bestimmte Überwachungsmaßnahmen erfolgen und Gütekriterien eingehalten werden. Immerhin.

Neuere Rechtsprechung zu Klärschlamm

Nun liegen weitere Entscheidungen zur Abgrenzung Produkt – Abfall vor.

Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt hat im Juni dieses Jahres Kompost, der aus Klärschlamm, Grünabfällen und tierischen Nebenprodukten erzeugt wurde, als Produkt und damit nicht als Abfall eingestuft. Auch wenn dieser Kompost nicht im Garten- oder Landschaftsbau verwendet wird, so könne er dennoch als Zuschlagsstoff für Rekultivierungsmaßnahmen, Lärmschutzwälle und vergleichbare Baumaßnahmen eingesetzt werden. Der Kompost ist als Produkt einzustufen, wenn er Primärrohstoffe – im konkreten Fall Mutterboden – ersetzt und das Material generell einsatzfähig ist, insbesondere keine Verunreinigungen aufweist.

Einzelfall und generelle Klärung

Bei der Frage, wann das Ergebnis eines Aufbereitungs- oder Recyclingprozesses wieder als Produkt eingestuft werden kann, können wir an dieser Stelle keine verbindliche Aussage für den Einzelfall vornehmen: Die bisherige Rechtsprechung bietet jedoch Orientierungshilfen.

Weitere Abgrenzungsversuche werden gestartet, so z.B., wann Stahlschrott wieder als Produkt klassifiziert werden kann.

Grundsätzliche Klärung erhofft man sich über die Novellierung der EG-Abfallrahmenrichtlinie, in der die Abgrenzung Produkt – Abfall gleichfalls aufgegriffen werden soll. Ob und wann diese kommt, und ob die Abgrenzung dann tatsächlich eindeutig geregelt ist … Wir werden mit aller Erfahrung abwarten.

Überregulierung und Blumentöpfe

Immer wieder hübsch, immer wieder schön: Neue Definitionen, wie z.B. in der Verpackungsverordnung. Wie z.B. folgende Definition: „Blumentöpfe, die dazu bestimmt sind, dass die Pflanze während ihrer Lebenszeit darin verbleibt, gelten nicht als Verpackungen.“ Toll. Was ist aber bei schnell wachsenden Pflanzen? Darf ich den Blumentopf für andere Pflanzen verwenden?

Deregulierung wird gefordert. In Fachkreisen weiß man, dass die umweltrechtlichen Vorgaben kaum noch überschaubar sind. Aber wo kämen wir denn da hin, wenn nicht auch klargestellt wäre, wann Blumentöpfe der Verpackungsverordnung unterliegen und wann nicht.

Kopf in den Sand …

… und einfach weiter machen wie bisher, empfiehlt sich nicht und ist auch nicht möglich. Die Anforderungen müssen eingehalten werden, egal, ob sie wirklich dem Umweltschutz dienen oder nicht.

 
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©  2003-2010  Dr. Birgit Stede, Ihr Anwalt für Umweltrecht, Abfallrecht, Genehmigungsrecht, Bodenschutz- und Wasserrecht sowie Umweltstrafrecht in Landsberg am Lech, Bayern und bundesweit.
Diese Seite wurde zuletzt geändert am 2010-09-01
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