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Rechtsanwältin   Dr. Birgit Stede


Newsletter Juli 2016

Der Vorsorgegrundsatz…
… in der Produktion
… in der Abfallwirtschaft
… bei der Verwertung landwirtschaftlicher „Nebenprodukte“
… bei der Altholzverwertung
… bei der Verwertung mineralischer Abfälle
… bei der Verfüllung
Umweltschutz und Legislaturperiode
Wertstoffgesetz

Der Vorsorgegrundsatz…

Sicher, mit TTIP würden neue Standards gesetzt, die dem Verbraucher- und Umweltschutz garantiert nicht gut tun würden. Dass aber die zurzeit geltenden Umwelt- und Verbraucherschutzstandards dem proklamierten Vorsorgegrundsatz genügen, wagen wir dennoch zu bezweifeln. Danach sollen Belastungen bzw. Schäden für die Umwelt und die menschliche Gesundheit im Voraus vermieden oder weitestgehend verringert werden. Bei unvollständiger Wissensbasis würde daher im Zweifel nichts zugelassen, was nicht vorab als unproblematisch eingestuft ist. Ach!

… in der Produktion

Denken wir nur an die aktuelle Diskussion um Glyphosat, einem Unkrautvernichtungsmittel, das im Verdacht steht, Krebs zu erregen. Es war bereits zugelassen und zurzeit wird entschieden, ob es weiterhin zugelassen bleibt. Zunächst ist eine weitere, allerdings eingeschränkte Zulassung ausgesprochen worden.

Oder denken wir an die industrialisierte Landwirtschaft. Fleisch ist eine Ware, die vermarktet werden soll. Das Dumme ist nur, dass Fleisch zuvor den Status eines lebendigen Tieres aufweist, mit Nerven, Schmerzen, Gefühlen, Ängsten… Das ist den Fleischproduzenten und leider auch vielen Fleischkonsumenten offenbar egal. Dass die Tiere, auf engstem Raum gehalten, mit Antibiotika vollgepumpt werden, stört die Verbraucherschützer schon eher. Die Antibiotikaresistenzen nehmen zu.

Werfen wir schließlich erneut einen Blick z.B. auf Nano-Partikel. Chemisch betrachtet handelt es sich um Silber, Titandioxid oder Siliziumdioxid etc. Und deshalb bedürfen sie bislang keiner Zulassung. Diese Partikel weisen allerdings eine allerfeinste Form auf, weshalb sie in Verdacht stehen, sich in Organen und z.B. im Gehirn abzulagern.

… in der Abfallwirtschaft

Der Vorsorgegrundsatz ist dagegen in der Abfallwirtschaft eher zweigeteilt zu betrachten. In den Bereichen, in denen man noch keine Kenntnisse über die Auswirkungen hat, wird er eher vernachlässigt. So z.B. bei der Entsorgung von Produkten mit Nano-Partikeln. Für manche dieser Teilchen weiß man mittlerweile, dass sie beim Verbrennungsprozess nicht wirklich zerstört werden, sondern sich in der Asche anreichern. Bei anderen weiß man noch nichts Genaues.

Dasselbe gilt z.B. für die Entsorgung von carbonfaserverstärkten Kunststoffen. Die werden wegen ihrer Produkteigenschaften fleißig produziert. Aber wie die umweltgerecht zu entsorgen sind, weiß keiner. Die Betreiber von Verbrennungsanlagen wollen sie jedenfalls nicht mehr annehmen. Vorsorgegrundsatz?

… bei der Verwertung landwirtschaftlicher „Nebenprodukte“

Auch bei der Massentierhaltung fallen Nebenprodukte an, die man schlicht und einfach loswerden will. Entsprechend wird auf Teufel komm raus Gülle aufgebracht, wenn der Wetterbericht Regen voraussagt. Entsprechend sieht die Nitratbelastung unseres Grundwassers in vielen Regionen aus.

Ausgerechnet ein Bundesland, in dem die industrialisierte Massentierhaltung intensiv betrieben wird, fordert nun vom Bund, Maßnahmen zu ergreifen, um der Nitratbelastung im Grundwasser Herr zu werden. Aber will dieses Bundesland tatsächlich und konsequent die immissionsschutzrechtlichen Vorschriften, nach denen solche Betriebe zugelassen werden, infrage stellen. Oder will man nur die Verantwortlichkeit für die hohe Nitratbelastung im Grundwasser von sich schieben?

Dass Nitrat im Trinkwasser krebserzeugend sein kann, hat sich im Übrigen schon seit Längerem herumgesprochen.

… bei der Altholzverwertung

Etwas verblüfft nahmen wir die Forderung zur Kenntnis, die Altholzverordnung müsse novelliert werden. Sie sei in die Tage gekommen. Neue Qualitätsstandards vor allem für das Recycling müssten geschaffen werden. Klar, wenn man die bisher geltenden Standards außer Acht gelassen hat, werden die natürlich nicht eingehalten. Und wenn diese nicht flächendeckend überwacht werden, schon gar nicht. Dass deswegen aber neue Standards eingeführt werden müssen – und dann möglicherweise Standards, die im laufenden Betrieb gar nicht eingehalten werden können – stimmt eher nachdenklich.

… bei der Verwertung mineralischer Abfälle

Nun, das Planspiel zur geplanten Mantelverordnung ist gespielt worden. Und die Beteiligten beklagen den chaotischen Ablauf. Auch wird kritisiert, die Wege von der Anfallstelle, der Baustelle, bis zur endgültigen Entsorgung seien nicht wirklich betrachtet worden. Schließlich seien während des Planspiels bilaterale Gespräche geführt worden, obwohl doch transparent für alle Teilnehmer die Auswirkungen diskutiert werden sollten.

Im Rahmen der abschließenden Beiratssitzung habe aber doch Einigkeit über viele Punkte erzielt werden können. Fragt sich nur, ob diese Einigkeit auf Kosten anderer, ebenfalls erforderlicher Entsorgungswege erzielt werden soll.

… bei der Verfüllung

Denn angesichts der Erleichterungen, die offenbar und absolut berechtigt in der EBV z.B. für den Einsatz von RC-Baustoff erfolgen sollen, wird die Thematik Verfüllung weiterhin mit Argusaugen betrachtet. Die Verfüllung von Bauschutt soll grundsätzlich unzulässig bleiben. Unabhängig davon, dass manche Bauschuttfraktionen für das Recycling schlicht und einfach nicht geeignet sind. Und unabhängig vom Vorrang der Verwertung, der auch für Bauschutt gilt, der nicht recycelt werden kann.

Das geltende Bodenschutzrecht verbietet im Übrigen nicht die Verfüllung von Bauschutt. Es spricht von Einbringen von Materialien in und auf den Boden. Schlicht und einfach. Dies muss nicht nur Boden sein.

Doch auch bei den Materialwerten sollen weiterhin grundsätzlich die sehr strikten Anforderungen aufrechterhalten werden. Die Möglichkeit zur Verfüllung von Z 1.1 oder Z 1.2-Böden wird zwar zurzeit geprüft. Klar ist aber, dass diese Möglichkeiten, wenn überhaupt, nur unter sehr strengen Voraussetzungen eingeräumt werden sollen.

Vorsorgegrundsatz? Nein, aus Vorsorgegründen ist diese strenge Betrachtungsweise in keiner Weise gerechtfertigt. Dies belegen z.B. die bereits langjährigen Erfahrungen, die in Bayern mit dem dort geltenden Verfüll-Leitfaden vorliegen. Aber den will der Bund nach wie vor nicht zugrunde legen.

Umweltschutz und Legislaturperiode

Darüber hinaus wird zurzeit unter Hochdruck an dem Referentenentwurf gearbeitet. Denn wir haben auch eine Legislaturperiode. Kommen neue Vorgaben nicht rechtzeitig zur Entscheidung, so wird es erst einmal ganz lange nichts damit. So werden manche Gesetze und Verordnungen mit heißer Nadel gestrickt, um sie noch durchzubekommen. Ob alle Konsequenzen bedacht sind, ist dann eher nebensächlich.

Wertstoffgesetz

Ähnlich die aktuellen Diskussion um das Wertstoffgesetz. Die muten an wie das Abzählen der Blüten von Gänseblümchen. Es kommt, es kommt nicht, es kommt… Wobei die Tendenz nun heißt: „er liebt mich nicht“. Kommunale Entsorger und duale Systeme wollen ihre Position erhalten und vor allem stärken. Kürzlich wurde angeblich ein Konsenspapier beim Bundesumweltministerium eingereicht. Doch prompt wurde von den verschiedenen Seiten klargestellt, dass damit überhaupt kein Konsens besteht.

Dass die Kommunen allerdings ihr Zugriffsrecht auf Altpapier und Metall wahren wollen, mutet schon merkwürdig an angesichts dessen, dass das Recycling dieser Fraktionen vor allem von kleinen und mittelständischen Unternehmen entwickelt wurde.

Nun wurde das WertstoffG ad acta gelegt und ein Verpackungsgesetz ist in der Diskussion. Wir kommen darauf zurück.

Und es liegen zwei aktuelle Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zum Thema gewerbliche Sammlung vor, in denen zu hohen Anforderungen an die gewerblichen Sammler ein Riegel vorgeschoben wurde. Auch diese Entscheidungen werden wir in Kürze näher betrachten.

 
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©  2003-2016  Dr. Birgit Stede, Ihr Anwalt für Umweltrecht, Abfallrecht, Genehmigungsrecht, Bodenschutz- und Wasserrecht sowie Umweltstrafrecht in Landsberg am Lech, Bayern und bundesweit.
Diese Seite wurde zuletzt geändert am 2016-07-29
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