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Rechtsanwältin   Dr. Birgit Stede


Newsletter Oktober 2016

Recycling und Weltmarkt
Altkleidersammlung und -verwertung
Nochmals GewAbfV
Styropor mit Flammschutzmitteln
Weitere Gesetze und Verordnungen …
Die Mantelverordnung
Plastiktüten

Recycling und Weltmarkt

Natürlich nicht. Natürlich gibt es wirkliche Probleme! Für die man allerdings nicht haftbar gemacht werden will. Wer sich schon jahrelang mit dem Thema Abfallwirtschaft und Recycling beschäftigt, kennt es in- und auswendig: Durch das Recycling sollen Primärrohstoffe ersetzt werden. Schon seit längerem spricht man von „urban mining“ oder von „anthropogenen Lagerstätten“. Komisch nur, dass diese nicht wirklich ausgeschöpft werden. Aktuellen Berichten zufolge ist Deutschland immer noch zweitgrößter Exporteur von E-Schrott nach Afrika. Und das Recycling der Unmenge an Handys und Smartphones, die nach oftmals allzu kurzer Zeit – weil nicht mehr topaktuell - nicht mehr genutzt werden, findet auch nicht so wirklich statt. Obwohl gerade in diesen Geräten die seltenen Metalle stecken, die für die Herstellung neuer elektronischer Geräte benötigt werden.

Aber so lange auf dem Weltmarkt z.B. Wolfram oder Gold anderweitig billig zur Verfügung stehen, kann das Recycling nun mal nicht mithalten. Wolfram, das z.B. hoch oben in den bolivianischen Anden bei nass-kaltem Wetter kaum über dem Gefrierpunkt quasi in Handarbeit gewonnen wird. Die Arbeiter können von den Erlösen kaum überleben. Gold, das z.B. in Afrika durch Billigstlöhner in vollkommen ungesicherten Minen gewonnen wird.

Aber da erfreut uns glatt die Meldung, dass die Medaillen, die bei den olympischen Spielen 2020 in Tokio vergeben werden, aus recyceltem E-Schrott hergestellt werden sollen.

Altkleidersammlung und -verwertung

Wer Altkleider hierzulande überhaupt sammeln darf, nun, darüber gab es in den vergangenen Jahren unzählige Gerichtsverfahren. Wir haben immer wieder berichtet. Dass der Altkleidermarkt längst über den Bedarf hinaus gewachsen ist, ist sicherlich eine Randerscheinung, die sich aus den konkurrierenden Sammlungen ergibt, die sich immer noch ein lukratives Geschäft versprechen.

Ein nicht unerheblicher Teil dieser Alttextilien wird – in welcher Qualität auch immer – nach Afrika exportiert. Und über diese Importe wird die dortige heimische Textilproduktion zerstört. Peu à peu. Einige ostafrikanische Staaten wollen nun gar ein Importstopp verhängen, was dem hiesigen Recyclingmarkt natürlich alles andere als Recht wäre. So bestehen Überlegungen, wie man die dortige Textilindustrie fördern könne, um den Importstopp zu vermeiden.

Das Szenario steht uns schon vor Augen: Billigstimporte z.B. aus Bangladesh verführen bereits jetzt dazu, den heimischen Kleiderschrank regelmäßig auf den modischen Stand zu bringen. Egal, zu welchen Bedingungen für Mensch und Umwelt dort produziert wird. Wird die afrikanische Textilindustrie dann auch noch „gefördert“, so kann das die Konkurrenz auf dem Billigmarktsektor ja nur ankurbeln. Und der Kleiderschrank kann noch öfter ausgewechselt werden, noch mehr Altkleider können gesammelt werden…

Heile Welt?

Nochmals GewAbfV

Aber ja, wir haben unsere heile Welt. Die Anforderungen werden strikter. Verbindlicher. So hat die Bundesregierung Ende Juli ihren überarbeiteten Entwurf der GewAbfV bei der europäischen Kommission notifiziert. Darüber, was diese Neuerungen für die Entsorger bedeuten, hatten wir berichtet. Aber was bedeuten sie für die Erzeuger gewerblicher Abfälle?

Die Verpflichtung zur Getrenntsammlung soll gestärkt werden. Gut und schön. Ist Getrenntsammlung nicht möglich, sind die Abfälle grundsätzlich und soweit möglich einer Vorbehandlungsanlage zu überlassen, die die Anforderungen der GewAbfV einhält. Auch gut und schön. Das alles ist zu dokumentieren. Ohne Einschränkung, ohne jährliche Mindestmenge der beim Betrieb anfallenden Abfälle. Also nicht nur von großen Unternehmen, die tatsächlich erhebliche Abfallmengen erzeugen. Auch vom Malerbetrieb, vom Fliesenleger, vom Bäcker… Als ob die nicht schon genug zu tun hätten.

Diejenigen, die sich pingelig an die Getrennthaltungspflichten halten und 90 % ihrer Abfälle tatsächlich getrennt sammeln, müssen ihre restlichen Abfälle zwar nicht einer Vorbehandlungsanlage zuführen. Dafür sollen sie aber einen Sachverständigen beauftragen, der ihnen bestätigt, dass sie tatsächlich die 90 %-Quote einhalten. Und dieser Nachweis durch den Sachverständigen ist bis Ende des 1. Quartals des Folgejahres der zuständigen Behörde vorzulegen. Kann der Nachweis durch den Sachverständigen nicht erbracht werden oder wird er schlicht und einfach nicht vorgelegt, so handelt der Gewerbetreibende ordnungswidrig. Wenn das mal kein Anreiz ist!

So manchem Umweltverband geht das aber immer noch nicht weit genug. So wird die generelle Verpflichtung zur Vorlage der Dokumentationen bei den zuständigen Behörden gefordert. Da dürften sich selbst die Behördenvertreter bedanken.

Die heile Welt der getrennten Sammlung?

Styropor mit Flammschutzmitteln

Auch Dämmstoffe werden getrennt gesammelt. Polystyrolabfälle unterliegen allerdings und in der Regel dann, wenn sie aus dem Hochbau stammen, nun der neuen Einstufung der AVV. Sie enthalten nämlich regelmäßig Flammschutzmittel. Das Kürzel HBCD ist mittlerweile einschlägig bekannt. Das Dumme ist nur, das diese Dämmstoffe nun als gefährlicher Abfall eingestuft sind. Und keiner weiß, wohin damit.

Getrennte Sammlung ist schön. Strikte Einstufung nach der AVV soll gewährleistet werden. Aber Entsorgungswege, jedenfalls bezahlbare, stehen nicht zur Verfügung.

Ähnliches wird erwartet für die Masse künftig anfallender Dämmmaterialien, die heute noch fröhlich für die Gebäudeisolierung verbaut werden.

Weitere Gesetze und Verordnungen …

Weitere Gesetze und Verordnungen – wie etwa das Verpackungsgesetz und die Änderungen zur abfallrechtlichen Überwachung – werden unter Hochdruck vorangetrieben. Kritikpunkte hin oder her. Wir haben berichtet. Aber halt, da war doch auch noch

die Mantelverordnung

Ein Referentenentwurf sollte bis Herbst vorgelegt werden. Im Moment ist jedoch kein genauer Zeitplan vorgegeben. Aber wer weiß: Aus Erfahrung muss man jederzeit mit dem aktualisierten Entwurf rechnen. Jedenfalls lässt die Bundesregierung verlauten, den Entwurf soweit fertiggestellt zu haben; sie arbeite nun an der Begründung. Der Entwurf soll noch im November in die sogenannte Ressortabstimmung gehen.

Was die Verfüllung betrifft, so hat der Europäische Gerichtshof mit aktueller Entscheidung von Juli 2016 nochmals die Kriterien aufgezeigt, wann diese eine Verwertung darstellt. Die Materialien müssen für die Rekultivierung geeignet sein. So dürfen z.B. nicht-inerte Abfälle oder gefährliche Abfälle nicht verfüllt werden. Klar! Im Übrigen müssen die mineralischen Abfälle Primärbaustoffe ersetzen, die andernfalls für die Rekultivierung eingesetzt werden müssten. Danach kann z.B. grundsätzlich auch Bauschutt, der sich für das vorrangige Recycling nicht eignet, unter entsprechenden Bedingungen in einer Verfüllung verwertet werden. Er ist geeignet. Und er ersetzt Primärbaustoffe, die andernfalls für die Rekultivierung erforderlich wären.

Bleibt nur zu hoffen, dass die Bundesregierung die aktuelle Rechtsprechung des EuGH bei der weiteren Bearbeitung der Verordnung auch sachgerecht berücksichtigt.

Plastiktüten

Kommen wir zurück zu heilen Welt. Wir haben sie! Der Verbrauch der Kunststofftüten soll aufgrund der Selbstverpflichtung des Handels schon gewaltig reduziert worden sein. Prima. Nachdenklich stimmen dann nur solche Berichte, nach denen Grundwasser zunehmend privatisiert, als Trinkwasser in Plastikflaschen oder z.B. in Afrika auch in Plastiktüten abgefüllt und verkauft wird. Der dortigen Bevölkerung wird im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser abgegraben. Sie kann sich sauberes Trinkwasser aber kaufen - wenn sie es bezahlen kann. Und die Berge an Plastikmüll wachsen weiter.

Heile Welt!

 
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©  2003-2016  Dr. Birgit Stede, Ihr Anwalt für Umweltrecht, Abfallrecht, Genehmigungsrecht, Bodenschutz- und Wasserrecht sowie Umweltstrafrecht in Landsberg am Lech, Bayern und bundesweit.
Diese Seite wurde zuletzt geändert am 2016-10-20
Abfalltonne