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Rechtsanwältin   Dr. Birgit Stede


Newsletter Mai 2020

Gerichtsbarkeit
Unsicherheiten bei der Entsorgung
‚Systemrelevanz‘
Abfallverbringungen
Verfahrensvereinfachungen
Schulungen
EU-Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft
Coronakrise …
… und positive Auswirkungen

Wir stecken in einer wahrhaft tiefen Krise, einer Krise, die wir uns so niemals hatten vorstellen können. Ob wir uns bereits auf dem Höhepunkt befinden, weiß nach wie vor niemand zu sagen. Und natürlich grassieren auch wieder Verschwörungstheorien. Aber auf die Frage nach dem ‚cui bono‘, also dem Nutznießer, dem ‚wem nutzt das Verbrechen‘ kommt keine Antwort. Da guckt man sich doch besser einen James Bond an. Der bietet zumindest etwas unterhaltsame Ablenkung. So wünsche ich allen Lesern alles Gute und dass Sie wohlbehalten durch diese schwierigen Zeiten kommen.

Gerichtsbarkeit

Das öffentliche Leben ist weiterhin eingeschränkt. Das betrifft auch die Gerichtsbarkeit. Mündliche Verhandlungen werden, wenn sie nicht notwendig sind und keinen Aufschub dulden, auf wer weiß wann verschoben.

Es gingen aber Eilanträge bei diversen Verwaltungsgerichten und dem Bundesverfassungsgericht ein. Die Verfassungsmäßigkeit der aktuellen Beschränkungen wird angezweifelt, so etwa der Eingriff in die Versammlungsfreiheit, in die Freiheit der Berufsausübung oder in die persönliche Handlungsfreiheit. Die getroffenen Maßnahmen seinen schlichtweg verfassungswidrig.

Ja, es wird erheblich in die Grundrechte eingegriffen. Doch die Eilanträge wurden samt und sonders in den hierfür vorgesehenen schriftlichen Verfahren abgewiesen. Die Gefahren für Leib und Leben, ausgelöst durch die Pandemie, wiegen danach schwerer als die Einschränkungen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Regelungen befristet sind. Doch selbst dann, wenn nicht eindeutig beantwortet werden könne, ob die getroffenen Maßnahmen rechtmäßig sind oder nicht, überwiege das Ziel, die öffentliche Gesundheit über die Verbote und Beschränkungen zu schützen.

Diese einheitliche Rechtsprechung ist angesichts der akuten Situation nachvollziehbar. Es gibt immer noch zu wenig Tests, noch keinen Impfstoff und keine Medikamente gegen das Virus. Mundschutz gibt es zwar mittlerweile. Ansonsten ist Schutzausrüstung aber weiterhin Mangelware. Die Erwägungen sind daher – anders als bei so manchen Entscheidungen in normalen Zeiten – schlicht und einfach zu akzeptieren.

Unsicherheiten bei der Entsorgung

Zunächst gab es erhebliche Unsicherheiten, wie es überhaupt mit der Entsorgung weiter geht. So wurden landauf landab erst einmal die Wertstoffhöfe geschlossen, bis klargestellt wurde, dass die Abfallentsorgung zur Grundversorgung zählt. In diesem Zuge wurde von jedenfalls einem Ministerium zudem klargestellt, dass auch private Betreiber von Entsorgungsanlagen nicht nur Abfälle von gewerblichen Kunden, sondern auch von Privatkunden annehmen dürfen.

‚Systemrelevanz‘

Zwischenzeitlich wurde die Entsorgungswirtschaft als ‚systemrelevant‘ anerkannt. Klar, schon aus hygienischen Gründen muss die Entsorgung sichergestellt bleiben. Dies insbesondere auch bei ggf. infektiösen Abfällen. Entsprechend laufen die Untersuchungen, ob und welche Gefahren von ggf. Corona-infizierten Abfällen ausgehen.

Ob die gesamte Recyclingwirtschaft hierüber von der Krise verschont bleiben wird, ist aber eher fraglich. Sicher, aufgrund der zunehmenden Verpackungen des Versandhandels und den Massenkäufen des für diese Krise schon sprichwörtlich gewordenen Toilettenpapiers werden Altpapier und Pappe benötigt. Aber andere Zweige wie etwa die Altkleiderverwerter bleiben zurzeit auf ihrer gesammelten Ware sitzen. Oder die, die üblicherweise Metalle nach Italien exportieren.

Abfallverbringungen

Unabhängig davon hat die Europäische Kommission klargestellt, dass grenzüberschreitende Abfallverbringungen möglich bleiben sollen. In ihrer Orientierungshilfe weist sie darauf hin, dass die „Green Lanes“, also die bevorzugten Grenzübergänge für den Güterverkehr, auch für Abfalltransporte genutzt werden können. Müsse deswegen die Transportroute geändert werden, so solle dies in enger Abstimmung aller Beteiligten und ohne neue Notifizierung möglich sein. Sind durch die Änderung der Transportroute andere Mitgliedstaaten betroffen, so sei zwar eine neue Notifizierung erforderlich; diese solle aber so schnell wie möglich bearbeitet werden.

Zur Vermeidung des Austauschs von Papieren sind zudem vorrangig elektronische Optionen einschließlich elektronischer Signaturen zu verwenden.

Verfahrensvereinfachungen

Regelungen, den Austausch von Papieren zu vermeiden, haben auch einige Länder getroffen. So kann z.B. nach einer Bekanntgabe des bayerischen Umweltministeriums bei der Handhabung der papierenen Übernahmescheine auf die Unterschriften vorübergehend verzichtet werden. Hierüber soll eine Gefährdung zwischen dem Personal der Entsorgungseinrichtungen und den Abfallerzeugern möglichst ausgeschlossen werden.

Entbürokratisierung kannten wir bislang hauptsächlich darüber, dass in vielen Bundesländern das Widerspruchsverfahren abgeschafft wurde. Mit der Folge, dass der von einer behördlichen Maßnahme Betroffene im Zweifel gleich zu Gericht ziehen muss. Nun haben wir aus der Not geborene Verfahrensvereinfachungen. Wäre dies nicht ein Anlass, die umfangreichen Dokumentationspflichten einmal grundsätzlich zu überdenken und Vereinfachungen einzuführen und beizubehalten?

Schulungen

Auch Fortbildungslehrgänge für die nach dem BImSchG oder dem KrWG Beauftragten oder die verantwortlichen Personen in Entsorgungsfachbetrieben finden zurzeit nicht statt. Hierfür hat z.B. Bayern gleichfalls eine Regelung getroffen. So wird für diejenigen, bei denen die für die Teilnahme an einer Fortbildung oder einem Lehrgang vorgeschriebene Zwei-Jahres-Frist zwischen dem 01.03.2020 und dem 30.09.2020 endet, ein Übergangszeitraum zunächst bis zum 31.12.2020 eingeräumt, um die erforderlichen Fortbildungsmaßnahmen bzw. Lehrgänge nachholen zu können. Die sich anschließende Zwei-Jahres-Frist berechnet sich dann ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Lehrgangs.

EU-Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft

Anfang März sah hingegen alles noch eher zielstrebig aus. So hatte die Europäische Kommission zur Konkretisierung des ‚Grean Deal‘ den EU-Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft vorgelegt. Danach sollen u.a. die Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit von Produkten gefördert, ein Recht auf Reparatur eingeführt werden. Die Recyclingquote für Glas, Metall, Kunststoff und Papier aus Haushalten soll stufenweise bei bis zu 60 % liegen. Auch sollen z.B. der Recyklatanteil in Produkten vorgegeben, das öffentliche Beschaffungswesen stärker in die Pflicht genommen werden.

Auch wenn diese Ziele noch durch neue Vorgaben konkretisiert werden müssen, begrüßte die Recyclingwirtschaft diese Pläne. Nun werden jedoch wegen der aktuellen Krise die konkreten Initiativen des ‚Green Deals‘, und so auch des Aktionsplans, verschoben. Wie andere geplante oder Änderungen bestehender Vorgaben befinden sich diese zwangsweise in einer Hängepartie. Es wird es aber weitergehen, das ist sicher. Und wir werden berichten.

Coronakrise …

Wir befinden uns in einer ausgewachsenen Krise – mit Folgen. Nach einer Blitzumfrage des DIHK sehen sich derzeit 40 % aller Betriebe von der Insolvenz bedroht. Und wenn sich dieses Virus erst einmal in den armen Regionen dieser Welt ausbreitet, so wie jetzt schon in Brasilien … Dass Menschen in Slums, in Flüchtlingslagern oder z.B. eingepfercht im Gaza leben müssen, ist für sich genommen schon eine Katastrophe. Diese Katastrophe dürfte aber explodieren, wenn das Virus dort zuschlägt.

… und positive Auswirkung

Zum guten Schluss möchten wir aber auch etwas Positives berichten. Wegen des geringeren Verkehrs war es plötzlich relativ ruhig geworden. Man konnte und kann die Vögel singen hören. Auch der Klimawandel dürfte wie die sonstigen Umweltverschmutzungen durch Industrie und Verkehr eine kleine Verschnaufpause einlegen. Vor dem Hafen von Marseille, wo normalerweise die Fähren ein- und auslaufen, wurden plötzlich wieder Wale beobachtet. Und viele von uns leben – oder lebten zumindest – tatsächlich etwas entschleunigt. Vielleicht können wir von all dem ja doch etwas bewahren!

 
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©  2003-2020  Dr. Birgit Stede, Ihr Anwalt für Umweltrecht, Abfallrecht, Genehmigungsrecht, Bodenschutz- und Wasserrecht sowie Umweltstrafrecht in Landsberg am Lech, Bayern und bundesweit.
Diese Seite wurde zuletzt geändert am 2020-05-20
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