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Rechtsanwältin   Dr. Birgit Stede


Newsletter Mai 2024

Rosige Zukunft
Europa und die Abfallwirtschaft
Lichtblick NKWS
Stoffkreisläufe
Öffentliches Beschaffungswesen
Änderung der GewAbfV
Noch bessere Getrennthaltung
Das Pferd von hinten aufgezäumt
Nachhaltigkeit
Ein Plan und noch ein Plan

Es ist noch nicht allzu lange her: Erklärte jemand, warum er welche Entscheidung getroffen oder Vorgehensweise gewählt hat, hörte man immer wieder den merkwürdigen Satz: „Du musst Dich nicht rechtfertigen“. Wie eine Absolution. Auf die man gar nicht erpicht war. Es sollte ja etwas erklärt werden! Seit geraumer Zeit geht das kürzer. Die Antwort lautet nun: „Alles gut!“ Egal, ob etwas erklärt wird, egal, ob man wegen eines Unfalls im Stau gelandet ist und deshalb zu spät zum Termin kommt. Alles gut. Aber was soll das? Ist wirklich alles gut

Rosige Zukunft

Über die rosige Zukunft, die uns die Europäische Kommission mit dem ‚green deal‘ in Aussicht stellt, hatten wir schon berichtet. Saubere Luft, sauberes Wasser, gesunder Boden und Biodiversität werden versprochen. Und natürlich Klimaneutralität

Was aufgrund der Verlagerung der Produktion – so vor allem der Textil- und der chemischen Industrie einschließlich Pharmaindustrie – vor allem in südostasiatischen Ländern ungebremst stattfindet, wird dabei weniger thematisiert. Aber das ist ja weit weg. Nein stopp. Das Problem, dass im hochentwickelten Westen aufgrund der Verlagerung der Pharmaindustrie bereits seit Längerem Lieferengpässe für bestimmte, teilweise lebensnotwendige Medikamente herrschen, wird durchaus erkannt.

Oder die allgegenwärtige ökologisch-soziale Lüge der E-Mobilität. Wie hierüber ganze Landstriche in Südamerika allein für die Lithiumgewinnung zerstört werden und in den Minen Afrikas sklavenähnliche Arbeitsbedingungen herrschen. Aber das ist ja auch weit weg

Nun, dass auch in Europa z.B. der Einsatz von Glyphosat weiter erlaubt ist, tja, das ist so ein Schandfleck. Zu Lasten der Böden, der Insekten und Kleinlebewesen, zu Lasten der Anwohner, der Konsumenten. Aber was soll’s. Gewisse Kompromisse muss man halt eingehen!

Europa und die Abfallwirtschaft

Dagegen ist es doch ein gewaltiger Fortschritt, dass man nun, will man in Ruhe einen kräftigen Schluck Mineralwasser oder anderer Erfrischungen direkt aus der Flasche trinken, erst einmal die fest mit der Flasche verbundenen Deckel abfriemeln muss.

Und natürlich ist es ein Fortschritt, dass wir nun plastikfreie Ohrreiniger und Trinkhalme haben.

Lichtblick NKWS

Ergänzend dazu gibt es in Deutschland die NKWS, die nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie.

Danach strebt die Bundesregierung die Transformation zu einer zirkulären Wirtschaft an, die Ressourcen sparsam einsetzt. Zentrales Ziel sei es, den Verbrauch von Primärrohstoffen zu senken und Stoffkreisläufe weitgehend zu schließen. Die dafür nötigen Ziele und Maßnahmen soll die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie der Bundesregierung bündeln. Und natürlich soll das öffentliche Beschaffungswesen diese Kreislaufwirtschaftsstrategie fördern!

Fürchterlich viele Akteure seien übrigens in diese Strategie eingebunden, worauf das Bundesumweltministerium mächtig stolz ist. Es herrsche, so ein Vertreter des Ministeriums, eine enge Verzahnung der diversen Abteilungen der diversen Ministerien, der Wirtschaft, Wissenschaft, Verbänden, Zivilvertretern, Ländern und Kommunen. Na, da kann doch nichts schief gehen…

Stoffkreisläufe

Um Stoffkreisläufe zu schließen, bedarf es allerdings der Anerkennung des Produktstatus von aus Abfällen rückgewonnenen Sekundärrohstoffen. So etwa von Sekundärbaustoffen. Sonst sind die nämlich kaum vermarktbar.

Doch was das Bundesumweltministerium beispielsweise im Winter als Eckpunkte für das Abfallende von mineralischen Ersatzbaustoffen vorgelegt hat, kann nur als Verweigerungshaltung eingestuft werden. Werden güteüberwachte Ersatzbaustoffen (die Bezeichnung ist ohnehin misslungen – normalerweise spricht man von Sekundärrohstoffen) entsprechend der Einbauweisen der EBV verwendet, so besteht zwar nach dem Wortlaut der EBV keine Besorgnis für eine nachteilige Veränderung der Grundwasserbeschaffenheit oder einer schädlichen Bodenveränderung. Dabei ist der Besorgnisgrundsatz der schärfste Maßstab, den das Umweltrecht kennt. Danach muss nämlich jede nach menschlicher Erfahrung mögliche Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung ausgeschlossen werden können!

Nichtsdestotrotz sollen nach diesen Eckpunkten nur für die allerbesten Materialien – und nicht einmal für all diese – die Produkteigenschaft anerkannt werden.

Bei der Anerkennung anderer Sekundärrohstoffe sieht es nicht viel besser aus.

Öffentliches Beschaffungswesen

Dass das öffentliche Beschaffungswesen diese Kreislaufwirtschaftsstrategie fördert, ist bislang eher eine Farce. Jedenfalls wird durch die bisherige Formulierung im KrWG, wonach die Förderung der Kreislaufwirtschaft besteht, „ohne damit Rechtsansprüche Dritter zu begründen“, keine tatsächliche, durchsetzbare Verpflichtung der öffentlichen Hand begründet.

Auf beide Punkte angesprochen, erhält man von dem Vertreter des Bundesumweltministeriums lediglich die lapidare Antwort: „Da haben Sie den Finger in die Wunde gelegt.“ Ach!

Änderung der GewAbfV

Ende April wurde der Entwurf zur Novellierung der GewAbfV vorgelegt. Eine Frist zur Stellungnahme von gerade mal zwei Wochen wurde eingeräumt. Immerhin!

Heutzutage wird eigentlich in allen Politikfeldern der notwendige Bürokratieabbau gefordert. Eigentlich. Doch sollen nun für alle Gewerbebetriebe zusätzliche und erweiterte Dokumentationspflichten eingeführt werden. Aber was soll eigentlich zusätzlich dokumentiert werden?

Noch bessere Getrennthaltung

So soll künftig dokumentiert werden, dass alle in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten zur Erfüllung der Pflichten zur Getrennthaltung geprüft worden sind und ausscheiden.

Doch wie – mit welchen Angaben, in welcher Tiefe – soll ein Gewerbebetrieb nachweisen, dass er das alles geprüft hat? Muss ein Unternehmen nachweisen, dass für ihn keine reelle Möglichkeit zum Recycling z.B. von verunreinigten Putzlappen besteht? Oder – was Baumischabfälle betrifft – von uralten, verdreckten Teppichbodenresten oder, was im Einzelfall auch vorkommt, von vermoderten Matratzen? Muss ein süddeutsches Unternehmen nachweisen, dass für ihn keine reelle Möglichkeit zum Recycling z.B. von kunststoffbeschichteten Papieren in Norddeutschland besteht?

Es ist zu befürchten, dass hinsichtlich dieser Klausel sowieso höchst unterschiedliche Interpretationen durch die Vollzugsbehörden erfolgen und entsprechend unterschiedliche Anforderungen aufgestellt werden.

Das Pferd von hinten aufgezäumt

Mit der GewAbfV von 2017 wurde bereits das Pferd von hinten aufgezäumt. Wie sollen nicht recyclingfähige Abfälle über die Getrennthaltung plötzlich recyclingfähig werden? Doch das falsch aufgezäumte Pferd soll nun weiter angetrieben werden.

Denn immer wieder muss festgestellt werden: Die Produktion ist zunehmend ein Schrottproduktion (pardon, liebe Schrotthändler – hiermit meine ich nicht Schrott im eigentlichen Sinne). Es kursieren Unmengen an miserablen Textilien. Hauptsache, die fast fashion, wie es neumodisch heißt, floriert. Dass die Hemden und T-Shirts oftmals schon nach 2 – 3 Wäschen Löcher aufweisen, ist egal. Dann werden eben neue Hemden und T-Shirts gekauft.

Jeder, der noch ältere Kleidungsstücke in seinem Schrank hat, kann feststellen, dass jedenfalls die Qualität dieser Kleidungsstücke nicht gelitten hat. Und die Verwerter beklagen sich, dass sich die Altkleider häufen und nicht mehr vermarkten lassen. Die Berge an nicht recyclingfähigen Textilien wachsen und wachsen. Textilien aus Mischfasern sind sowieso kaum sinnvoll recycelbar.

Dasselbe gilt für andere Produkte. Konnte früher noch mit einer Lebensdauer einer Waschmaschine von mindestens 20 Jahre gerechnet werden, so darf man heute schon froh sein, wenn so eine Maschine nicht schon nach 5 Jahren ihren Dienst verweigert. Usw. usw.

Nachhaltigkeit

Die „Schrottproduktion“ ist also fester Bestandteil der Vermarktungspolitik. Von vollkommen überflüssigen Produkten wie Einmal-E-Zigaretten ganz abgesehen.

Dagegen kennen wir seit Jahren, ja Jahrzehnten die guten Sprüche von Nachhaltigkeit, Langlebigkeit, Reparaturfähigkeit von Produkten! Aber wird sich da wirklich etwas ändern? In den Markt will die Politik nicht wirklich eingreifen. Und die Unternehmen / Konzerne wollen ihre Produkte verkaufen! Je länger, je lieber. Oder: je mehr, je lieber.

Ein Plan und noch ein Plan

So können wir nur Berthold Brecht aus seiner Dreigroschenoper von vor fast 100 Jahren zitieren: „Ja, mach nur einen Plan! Sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch ’nen zweiten Plan. Gehn tun sie beide nicht.“

Alles gut?

 
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©  2003-2024  Dr. Birgit Stede, Ihr Anwalt für Umweltrecht, Abfallrecht, Genehmigungsrecht, Bodenschutz- und Wasserrecht sowie Umweltstrafrecht in Landsberg am Lech, Bayern und bundesweit.
Diese Seite wurde zuletzt geändert am 2024-05-22
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